Der Sandstrand in Yaniklar in der Türkei ist winzig, eine kleine Oase, die zwischen den dunkelgrauen Kieselsteinen entlang der Küste liegt. Kalksteinfelsen mit großen Bäumen ziehen entlang eine Seite des Strandes, welche mit von Vögeln überfüllt sind, die geduldig auf das Tagelicht warten. Plötzlich bewegt sich etwas im Substrat; ein kleiner, grauer Kopf tritt aus dem Sand heraus und eine kleine Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) wirft ihren ersten Blick auf die gefährliche Umgebung. Die Überlebensinstinkte des Schlüpflings setzen sofort ein, und es krabbelt so schnell es geht Richtung Wasser, um das offene Meer zu erreichen, wo es den Rest seines Lebens verbringen wird.
Der Weg über den Strand ins Meer ist die aller gefährlichste Reise im Leben einer Meeresschildkröte, wobei die große Mehrheit der Schlüpflinge verendet. Die Kleinen finden ihren Weg zum Meer durch die Reflektion der Sonner oder des Mondes auf dem Horizont. Wenn also das Nest nachts schlüpft, könnte künstliches Licht die Desorientierung in den jungen Schildkröten verursachen und sie weit weg von ihrem beabsichtigten Ziel führen. Wenn das Nest tagsüber schlüpft, sind die kleinen Reptilien durch die zahlreichen Räuber gefährdet, die entlang der Küste und im Wasser lauern.
Sobald sie das Meer erreicht haben, suchen die Jungtiere nach schwimmenden Obejkten, meistens Algen wie Sargassum, die den kleinen Reptilien Nahrung und Schutz bieten. Nach einigen Tagen, suchen die Schildkröten Küstengewässer auf um sich auszuruhen und nach Nahrung zu suchen. Während sie durch die Ozeane ziehen, sind die größten Bedrohungen für Meeresschildkröten, die, die durch menschliche Aktivitäten verursacht werden. Fischerleinen und –Netze, Plastikmüll und Bootsverkehr fordern jedes Jahr zahlreiche Schildkrötenleben. Die Schildkröten von Yaniklar werden den Großteil ihres Lebens damit verbringen, durch das Mittelmeer zu schwimmen, aber einige auch in das Rote Meer oder in den Atlantik wandern. Unabhängig davon, wie weit sie wandern, weibliche Schildkröten werden eines Tages an den Strand zurückkehren, wo sie selbst als Schlüpfling zur Welt gekommen sind um ein eigenes Nest zu legen.
Carettas legen im Durchschnitt alle 2-3 Jahre ein Nest mit bis zu 110 Ping-Pong-ballähnliche Eier, die ungefähr 1 m tief ins Substrat gelegt werden. Die Weibchen kommen normalerweise nachts an die Strände, um ihre Nester zu legen, in der Regel zeitweise mit hoher Mondbeleuchtung. Hier besteht die Herausforderung darin, einen geeigneten Ort auszuwählen. Das Nest darf nicht allzu weit weg vom Meer liegen sonst sind die Schlüpflinge noch mehr Gefahren ausgesetzt. Es soll aber auch nicht zu dicht am Wasser sein, denn es kann sein, dass es dann vom Meerwasser erreicht und überflutet wird. Leichte Störungen an diesen Stränden können dazu führen, dass hochsensible nistenden Schildkröten ihre Nester zu nahe an die Wasserlinie legen oder schnell wieder ins Meer zurückkehren ohne ein Nest zu legen. Einige Niststrände wurden noch immer nicht unter Schutz gestellt und werden verschmutzt und teilweise zerstört.
Bevor ich mein Biologie-Bachelor absolvierte, machte ich ein Praktikum beim „Sea Turtle Course“. Dabei wirkte ich bei ein kollaboratives Artenschutz-Projekt mit, welches zwischen der Universität Wien und verschiedene Universitäten in der Türkei erfolgte, um die nistenden Schildkröten in der Region Fethiye zu schützen. Während des Praktikums markierten wir und überwachten die Nester, um so viele Schlüpflinge wie möglich zu retten. Ähnliche Projekte, zusammen mit der Zusammenarbeit der Fischereiindustrie und Rescue Centers sowie einer Reihe von Aufklärungskampagnen, haben dazu beigetragen dass sich die Bestände zumindest im Mittelmeer ein wenig erholen. Natürlich ist der Kampf nicht vorbei. Diese sehr verletzlichen Tiere erfordern nach wie vor mehr viel Forschungsarbeit und Schutz.
Nach meiner Erfhrung mit nistenden Weibchen, kleine Schlüpflinge und kranke Schildkröten in Rescue Centres, habe ich jetzt das Vergnügen, sie in all ihrer Pracht während unseren Touren im offenen Meer zu beobachten. Hier auf Madeira begegnen uns vor allem junge Meeresschildkröten im alter von 1-9 Jahren, die an der Wasseroberfläche ruhen und Sonne tanken. Vor kurzem, veröffentlichten Wissenschaftler auf Madeira eine Studie die zeigte, dass Schildkröten die meiste Zeit tagsüber an der Oberfläche verbringen und ruhige, sonnige Wetterbedingungen dabei bevorzugen. Schildkröten jagen auch am liebsten bei starker Mondbeleuchtung und ruhen zwischen ihren Tauchgängen an der Wasseroberfläche.
Schildkröten sind zwar nicht die hochintelligenten Meeressäuger, die wir während unseren Touren suchen, aber das macht sie für marine Ökosysteme nicht weniger bedeutsam. In Anbetracht alle Bedrohungen, die Schildkröten überleben müssen, können wir wirklich für jede einzelne Begegnung mit diesen Tieren dankbar sein.
Von Paula Thake